Zehn Stunden lang schlafe ich wie ein Baby – der Rauch der Waldbrände hat mich total ausgeknockt und ich war selten so erschöpft. Trotzdem kämpfe ich so gut es geht und bahne mir meinen Weg Richtung Triacastela. Nachdem ich mich gerade wieder berappelt und in meiner Herberge in Fillobal all meine Klamotten gewaschen habe, wütet am nächsten Morgen schon wieder ein gigantisches Feuer und ich bin mir anfangs nicht einmal sicher, ob ich den Wald überhaupt passieren kann.
Als ich die Notfallherberge in La Laguna in die Dunkelheit verlasse, fühle ich mich immer noch matschig, obwohl ich so viel wie fast nie zuvor geschlafen habe. Zum O Cebreiro ist es nicht mehr weit, aber es geht wieder steil bergauf und die Pumpe kommt schon in aller Frühe in Wallungen. Hier auf dem Weg gibt es verständlicherweise keinerlei Beleuchtung und ich werfe meine Handytaschenlampe an. Kurz vor dem Gipfel sucht ein verwirrter Pilger ergebnislos nach den gelben Pfeilen und wirkt fast panisch, als er nicht weiß, wo er langgehen soll.
Seine Panik kann ich nicht so ganz nachvollziehen. Was soll schon passieren? Im Notfall muss man halt bis zum Sonnenaufgang warten – so what? Der Spanier ruft mir auf seiner Muttersprache ein schockiertes „Ich habe keine Pfeile gesehen!“ entgegen, blickt sich verzweifelt nach anderen Pilgern um und ich fühle mich fast etwas wie bei der versteckten Kamera. Ist das sein Ernst, dass er hier so ein Drama veranstaltet? Leicht entgeistert weise ich ihn darauf hin, dass sich die Pfeile auf dem Zaun neben uns befinden und wir dem richtigen Weg folgen.
Oben in O Cebreiro setze ich mich in eine Bar und bestelle nur einen Colacao (das ist übrigens Kakao und keine Cola…) und einen frischen Orangensaft. Die Auswahl an richtigem Frühstück beschränkt sich auf abgepackte Schokocroissants und das tue ich mir ganz sicher nicht noch einmal an. Noch nicht einmal eine Stunde bin ich auf dem Camino unterwegs und könnte schon wieder den Kopf auf die Tischplatte hauen. Maaan, die ganze schöne Motivation der letzten Tage ist dahin.
Ernüchterung auf dem Jakobsweg
Hätte es nicht noch ein bisschen länger so gut laufen können? Auch nach dem Frühstück in Light-Version fühle ich mich noch recht schwach, aber ich werde ganz sicher nicht schon wieder pausieren und gehe tapfer weiter durch die Berglandschaften von Galicien – zumindest kann mich nämlich der Grenzstein aufheitern, der mich daran erinnert, dass ich nach vielen, vielen Kilometern die vierte und letzte Comunidad des Camino Francés erreicht habe.
Auf dem Alto do San Roque befinde ich mich auf 1270 Höhenmetern und werde noch einmal daran erinnert, dass ich nun in Galicien bin. Ist ja nicht so, dass ich das in der kurzen Zeit schon wieder vergessen hätte – allerdings ist dieses Schild das erste auf meinem Jakobsweg, das auf der Regionalsprache Galicisch geschrieben ist und starke Ähnlichkeit mit dem Portugiesischen hat.
Auch wenn man ja in ganz Spanien Kastilisch (besser bekannt als Spanisch) spricht, gibt es Regionen, in denen eine andere Sprache an der Tagesordnung ist. Das finde ich irgendwie immer noch spannend, schließlich sind wir es aus Deutschland gewöhnt, dass es nur eine Sprache gibt, die sogar über die Landesgrenzen hinaus verwendet wird.
Camino Francés: Willkommen in Galicien!
Die galicischen Landschaften überzeugen mich von der ersten Minute an – auch wenn die gestrigen Rauchwolken immer noch wie ein leichter Schleier über den Bäumen hängen und die Sicht etwas einschränken. Ich lege abwechselnd kleine Sprints ein und trotte dann wieder langsam vor mich hin. Irgendwie macht es Spaß, zwischendurch einfach mal einen Bergabschnitt hochzurennen oder in Lichtgeschwindigeit ins Tal zu hüpfen. Das sieht in Flip Flops für den ein oder anderen sicher komisch aus – mich selbst nervt allerdings nur meine Hose zu Tode. Das bessere Exemplar habe ich ja dummerweise in Mansilla de las Mulas vergessen. Und wie befürchtet rutscht die schlabbrige Ersatzleggings mit jedem Schritt ein Stückchen tiefer.
Als wäre das nicht schon genug, fängt irgendwann auch noch einer meiner Gummilatschen an zu quietschen. Naja, bisschen Schwund ist überall, irgendwie komme ich schon noch bis nach Santiago. Hin und wieder mache ich eine Getränkepause und lasse mir die Sonnenstrahlen auf die Nase scheinen. Eigentlich wollte ich bis Triacastela gehen, aber als ich durch das winzige Dorf Fillobal, das nur aus etwa fünf Häusern besteht, komme, bleibe ich dort.
Fillobal auf dem Jakobsweg: Hier ist es schön, hier bleibe ich!
Die Herberge mit Restaurant sieht nett aus und ich bin in den letzten Tagen gut damit gefahren, die größeren Etappenziele zu meiden und stattdessen in Mikrodörfern zu bleiben, wo kaum Pilger nächtigen. Auch hier habe ich wieder Glück: Bis zum Abend kommt nur noch ein Italiener in den Schlafsaal. Außerdem habe ich ja trotzdem 23 Kilometer geschafft und bin ganz happy soweit.
Die Hospitalera heißt mich sehr freundlich bekommen und ihre kleine Tochter stempelt stolz meinen Pilgerpass – total niedlich! Tagesordnungspunkt Nummer eins ist natürlich die Wäsche, also erkundige ich mich noch vor dem Duschen nach der Waschmaschine, säubere mich und die Klamotten und hänge alles zum Trocknen in den Garten.
Jakobsweg: Die Spanier können doch kochen!
Im an die Herberge angeschlossenen Restaurant bekomme ich ausnahmsweise sogar mal frisch angerichtete Pasta! Naja okay, die Tortellini sind auch fertig, aber zumindest wurden sie frisch gekocht, stammen nicht aus der Tiefkühltruhe-Mikrowellen-Kombi und sind mit frischen Tomaten, Oliven, Öl und Parmesan garniert. Obwohl ich danach eigentlich pappsatt bin, entdecke ich beim Bezahlen noch den Dessert-Counter und kann nicht widerstehen. Der frische arroz con leche toppt alles und ich bin im Foodporn-Himmel.
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Die Kommunikation mit dem Italiener auf meinem Zimmer ist leider etwas eingeschränkt. Er ist zwar nicht viel älter als ich, spricht aber richtig mieses Englisch. Dummerweise sieht er das allerdings ganz offensichtlich etwas anders und will über komplexe Dinge des Weltgeschehens diskutieren. Problem dabei ist nur: Er versteht keine einzige meiner entsprechend komplexen Antworten und guckt mich irgendwann so an, als wäre ICH diejenige, die nicht über ausreichende Sprachkenntnisse verfügt.
Nun gut, Eigen- und Fremdwahrnehmung gehen eben manches Mal ganz schön weit auseinander und ich komme zu dem Schluss, dass es wohl für alle Beteiligten das Beste ist, wenn wir einfach ins Bett gehen und den Tag beenden.
Die Nacht verläuft ausgesprochen ruhig, ich schlafe gut und denke mir nichts Böses, als ich morgens aus der Herberge komme und zum Frühstück gehe. Irgendwie ist es aber ungewöhnlich warm, die Luft fühlt sich seltsam an und die Katzen des Hofs spielen komplett verrückt. Auch dabei denke ich mir nichts und kann nicht so wirklich einordnen, was hier gerade passiert. Bis ein kanadisches Pärchen, das wohl in einem Privatzimmer übernachtet hat, auf mich zustürmt und mich total geschockt zum Terrassenfenster schiebt. Hinter Triacastela lodern die Flammen und die rote Farbe zerfrisst die Dunkelheit des Waldes.
Camino Francés: Erneute Waldbrände in Galicien
Laut Hospitalera befindet sich das Feuer auf der anderen Seite des Berges – nicht dort, wo der Jakobsweg verläuft. Man könne problemlos weiter nach Triacastela gehen, was noch etwa vier oder fünf Kilometer sind. Keep calm and: HAVE A PORRIDGE. Naja, wird schon schiefgehen. Ich verfluche nur die Tatsache etwas, dass ich gestern noch die Klamotten gewaschen habe. Und diese Idioten, die hier die Natur zerstören.
Aber da ich an der Situation leider eh nichts ändern kann, die Feuerwehrleute schon wieder ihrer Arbeit nachgehen und vor mir eine Schale Porridge steht, mache ich einfach mal das Beste aus diesem wenig erheiternden Morgen. Ich löffele mich bis zum Boden der Schale, kratze noch die Reste vom Rand und denke an Steve, der typisch englisch jeden Morgen am jammern war, dass es auf dem Camino nirgends Porridge gibt. Tja, hätte er mal in Fillobal übernachtet!
Kurz überlege ich, ob ich den Tag vielleicht lieber in der Herberge verbringen und morgen weitergehen soll. Dann fasse ich mir ein Herz, vertraue auf die Einheimischen und schultere meinen Rucksack. Der Weg nach Triacastela ist schon ganz schön gruselig, denn es ist niemand unterwegs und ich weiß auch nicht, wo genau es brennt, und ob die Flammen noch in meine Richtung kommen werden. Ich schreibe parallel mit Simon und Steve und verzichte wohlwissend auf Nachrichten an meine Mama, die vor Angst sicher einen Herzinfarkt bekommen würde.
Waldbrände in Galicien: Angst auf dem Jakobsweg
Um mich etwas abzulenken und zumindest virtuell ein bisschen Gesellschaft zu haben, verschicke ich ein paar Sprachnachrichten und quatsche einfach mal vor mich hin. Auch wenn ich mir nichts anmerken lassen will, habe ich auf einmal doch ziemliche Panik, zumal ich mich mit Waldbränden nicht auskenne. Wie schnell können so riesige Flammen wohl um sich greifen? Angeblich hat die Feuerwehr ja alles im Griff, aber vielleicht sagen die das auch nur so?
Da ich so zügig gehe, erreiche ich Triacastela viel schneller als gedacht. Vor den Toren der Stadt stehen einige Menschen auf ihren Balkonen und starren fassungslos auf den Wald. Triacastela selbst ist wie ausgestorben. Dicke Rauchwolken hängen über der Stadt und man kann kaum atmen. Viele Pilger nehmen ein Taxi, andere stehen noch verunsichtert und verängstigt hinter den Fenstern ihrer Herbergen. Ich ziehe meinen Kapuzenpulli über Mund und Nase und flüchte mich – mal wieder – hustend und schwankend in eine Bar.
Feuer auf dem Jakobsweg: Nachrichten verfolgen in Triacastela
Während ich ein Glas trinke und meine Optionen abwäge, laufen im Fernseher hinter dem Tresen die Nachrichten und verheißen nichts Gutes. Der Waldbrand in meiner unmittelbaren Nähe ist nichts im Vergleich zu denen, die im restlichen Galicien und im Norden Portugals toben. Im Nachbarland gibt es sogar schon erste Tote, ein Pärchen ist in der Nacht vom Feuer überrascht worden und in ihrem Campervan verbrannt.
Ich schlucke einmal tief und muss mir unweigerlich vorstellen, dass auch Simon und mir so etwas passieren könnte. Den Gedanken verdränge ich allerdings schnell wieder und versuche mich auf die aktuelle Misere zu konzentrieren. Ich will auf keinen Fall mit Taxi fahren, auch wenn es in Anbetracht der Umstände fast alle machen. Aber selbst wenn ich mich dafür entscheiden würde, ginge das auch gar nicht: Es gibt keine Taxis mehr, die sind alle schon belegt und auf dem Weg nach Sarria, dem nächsten Etappenziel.
Mir ist zwar schon wieder sehr schwindlig, aber ich entscheide mich fürs Weitergehen. Hinter Triacastela zweigen zwei Routen vom Camino Francés ab. Der rechte Pfad führt vom Feuer weg, der linke über das Kloster Samos – und genau in die Richtung des Waldbrandes. Ich habe Glück, dass ich sowieso rechts langgehen und den direkten Weg nach Sarria nehmen wollte, denn die Alternative ist ein Stückchen weiter laut Einheimischen wegen des Feuers gesperrt worden.
Straße gesperrt: Kein Jakobsweg zum Kloster Samos
Im Internet steht, dass die ersten Brandstifter schon festgenommen werden konnten, und ich frage mich, wie viele Leute offenbar so gestört sind, alles abzufackeln. Diese Idioten stecken immer nachts den Wald in Brand, um einen möglichst großen Schaden zu verursachen. Bei so viel Dummheit von diesen Flachzangen kann ich nur den Kopf schütteln. Mein Kreislauf bedankt sich zwar direkt wieder und ist mit meiner Hardliner-Tour à la „Fuck you! Ich gehe trotzdem weiter“ nicht wirklich einverstanden, aber ich kämpfe mich Schritt für Schritt durch den Wald.
Noch eine halbe Stunde huste ich vor mich hin, dann wird die Luft allmählich wieder besser, da ich mich immer weiter vom Feuer entferne und versuche, ganz besonders schnell zu gehen. So kommt es aber auch des Öfteren dazu, dass ich in eine von diesen tödlichen Kastanien laufe, die hier in Galicien stellenweise immer mal wieder auf dem Weg liegen. Bis vor kurzem wusste ich gar nicht, dass Kastanien so fiese Stachel haben. Nun weiß ich es aber und muss mir – wie auch schon an den Tagen zuvor – ständig ein paar Stacheln aus dem großen Zeh ziehen.
Camino Francés: Bekanntschaften auf dem Jakobsweg
Der Camino kommt mir heute mal wieder länger vor, als er eigentlich ist. Ich kriege allmählich echt großen Hunger und nehme mir vor, in Furela etwas zu essen aufzutreiben. Allerdings muss ich feststellen, dass das kleine Restaurant am Ortseingang wohl auch das einzige des kleinen Dorfes ist. Kurz hinter Furela sehe ich aber das Restaurant „Casa Cines“, das einen soliden Eindruck macht. Ich bestelle mir eine Pizza, was sich als großer Fehler herausstellt.
Ja, ich hätte es mir denken können. Wenn schon die einfachsten Nudelgerichte entlang des Jakobsweges ein immer wiederkehrendes Tiefkühlphänomen sind, wie soll das dann erst mit Pizza aussehen? Das Exemplar, das mir aufgetischt wird, entstammt offenbar auch der Truhe und wurde wohl in der Mikrowelle aufgewärmt, denn knusprig oder gar goldbraun ist an diesem Häufchen Elend mal so gar nichts.
Auch wenn ich bei der Pizza dem Motto „Der Hunger treibt’s rein, der Ekel runter“ folge, hat die ganze Sache auch etwas Gutes: Während ich auf der Terrasse sitze und leicht angeekelt den pappigen Teigfladen zersäge, kommen Antonio und Snaedis vorbei und setzen sich auf einen Kaffee dazu. Antonio spricht mich in seiner Funktion als Arzt darauf an, dass ich irgendwie scheiße aussehe, woraufhin Snaedis ihm mit einem bitterbösen Blick zu verstehen gibt, dass er mir das doch nicht einfach so sagen könne.
Jakobsweg: Wenn die Anstrengung an der Substanz nagt
Aber ich weiß ja, dass er recht hat, denn sonderlich gut geht es mir nicht und ich bemerke allmählich auch, dass der gesamte Camino etwas an meiner Substanz nagt und diese beschissenen Waldbrände ihr Übriges tun. Da Antonio und Snaedis für Sarria bereits Betten reserviert haben, rufen sie nochmal kurz bei der Herberge an und stocken um ein drittes Bett auf. Gemeinsam setzen wir den Jakobsweg fort und die neue Gesellschaft tut mir gut. Es muss ja auch irgendwie etwas zu bedeuten haben, dass mir die beiden jetzt schon zum dritten Mal über den Weg laufen…
Bis Sarria ist es nicht mehr weit und wir machen nach unserer Ankunft noch eine kleine Sightseeing-Tour, weil Snaedis vor Energie strotzt und unbedingt etwas von der Stadt sehen möchte. Sarria erinnert mich stark an Saint-Jean-Pied-de-Port, denn auch hier gibt es wieder überall Souvenirläden und Geschäfte mit Wanderstöcken, Jakobsmuscheln und dem ganzen anderen Schund, den man sich hier schnell noch aneignen soll.
Während Saint-Jean trotzdem sehr idyllisch war, kommt mir Sarria unglaublich touristisch vor. Kein Wunder, denn hier starten ja auch alle, die einfach nur die letzten 100 Kilometer des Jakobsweges abklappern wollen, was ich persönlich ziemlich sinnlos finde. Auf 100 Kilometern kommt noch gar kein Pilgerfeeling auf, zumal man die Strecke locker in vier Tagen schafft.
Sarria: Pläne für die nächste Fernwanderung
Generell ist Sarria aber sehr schön und in einer kleinen Kunstausstellung kommt mir auch direkt eine neue Idee: Am Eingang liegt ein Pilgerpass des japanischen 88-Tempel-Weges aus, bei dem man über 2000 Kilometer quer über die kleine Insel Shikoku pilgert und von den Mönchen in jedem der 88 Tempel eine kunstvolle Kalligraphie in den Pass gemalt bekommt.
Das finde ich irgendwie total spannend und schreibe den Weg gedanklich schon mal auf meine Bucket List. Ernsthaft?! Oje, ich muss echt wahnsinnig sein. Ich bin noch nicht einmal in Santiago angekommen und denke bereits über den nächsten Weg nach?! Die 800 Kilometer durch Spanien sind schon nicht ohne – wer weiß, wie hart es ist, fast die dreifache Strecke zu gehen…
Auf der Pilgermeile von Sarria reihen sich mehrere Restaurants aneinander und nach der katastrophalen Pizza zum Mittagessen bekomme ich hier tatsächlich einen leckeren Veggie-Burger mit gutem Käse. Nach dem Abendessen überredet Antonio mich, zur Notdienst-Apotheke zu gehen, um mich dort mit allem einzudecken, was ich brauche.
Eigentlich wollte ich das am nächsten Morgen machen, aber er verleiht seinem Vorschlag Nachdruck, indem er mich einfach direkt ans andere Ende der Stadt begleitet. Ich brauche dringend endlich etwas für meine kaputten Lippen. Außerdem Voltarensalbe für meinen meckernden Knöchel. Und ein paar Schmerztabletten, denn in wenigen Tagen startet schon wieder die Erdbeerwoche und dafür muss ich gewappnet sein. Die Erinnerung an die letzte Runde ist noch zu präsent.
Sarria: Spanisch lernen auf dem Jakobsweg
In der Apotheke bekomme ich auch gleich noch eine Spanisch-Lektion. Der Mitarbeiter tippt eine Tube Salbe in die Kasse und holt kurz darauf die Schmerztabletten. Während man in Deutschland freiverkäuflich maximal 400er-Ibuprofen in einer winzigen Menge bekommt und sich dann noch anhören muss, dass man wegen Suchtgefahr sehr vorsichtig damit umgehen muss, sehen die Spanier das deutlich lockerer. Ohne ein weiteres Wort liegt eine 40er-Packung 600er-Tabletten vor mir, mit denen man bestimmt auch einen Elefanten lahmlegen könnte.
Fehlt also nur noch das Fett für die Lippen. Als ich den Apotheker allerdings nach etwas für meine „labios muy secos“ (auf Deutsch: sehr trockene Lippen) frage, guckt mich ein älterer Kunde schockiert an, Antonio bricht in Gelächter aus – und der Apotheker bleibt als Einziger professionell und verkneift sich ein Grinsen. Wie sich herausstellt: labios heißt zwar wirklich Lippen, man sollte als Frau allerdings stets einfach nur boca (= Mund) sagen, da es sonst sehr, sehr zweideutig ist. Nun gut, wieder was dazugelernt, haha.
Köstlich amüsiert über mein Missgeschick spazieren wir zurück zur Albergue Don Álvaro*. Auch wenn die Sanitäranlagen meiner Ekelgrenze irgendwie nicht so ganz standhalten können, ist die Herberge total schön. Der hygienische Supergau liegt auch nicht wirklich an der Putzfrau, sondern eher an den vielen asiatischen Mitbewohnern.
Ich weiß nicht, ob dir das auch schon mal aufgefallen ist, aber obwohl in vielen asiatischen Städten so unglaublich viel Wert auf Reinheit gelegt wird, scheinen deren Einwohner oft wenig Interesse daran zu haben. Ohne jetzt etwas verallgemeinern zu wollen: Sowohl als Gast in Hostels als auch als Gastgeberin auf Airbnb und Couchsurfing musste ich schon häufig feststellen, dass Asiaten das Badezimmer gerne wie einen Schweinestall hinterlassen.
Waldbrände in Galicien: Die Gerüchteküche brodelt
Später im Kaminzimmer gibt es für alle einen Likör, der uns echt die Schuhe auszieht. Außerdem erfahren wir, was bezüglich der Waldbrände so gemunkelt wird. Es gibt wohl verschiedene Gerüchte unter den Einheimischen. Dass es sich um Umweltschützer handelt, die ironischerweise genau das Gegenteil tun, um was auch immer zu erreichen.
Dass irgendwelche Jugendlichen einfach nichts zu tun haben. Oder dass diverse Feuerwehrmänner selbst die Brände legen, da deren Verträge zur kalten Jahreszeit hin auslaufen und sie sich künstlich Arbeit schaffen, um ihre Jobs behalten zu können. Wer weiß, was nun die Wahrheit ist. Krank klingt auf jeden Fall alles – und wir hoffen einfach mal, dass wir und die Natur auf dem restlichen Camino vom Feuer verschont bleiben.
Gespannt, wie es weitergeht? Hier findest du die Etappen 33 und 34.
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