Eigentlich war meine Entscheidung, einen ganzen Tag in Saint-Jean-Pied-de-Port, dem Ausgangspunkt des französischen Jakobswegs, zu verbringen, eher eine pragmatische Sache. Da ich meine Anreise zwar extrem günstig organisiert hatte, dafür aber über einen ganzen Tag unterwegs war, hielt ich es für vernünftiger (japs, so bin ich eben manchmal, hihi), den Start etwas ruhiger angehen zu lassen. Und was soll ich sagen? Ich bin verdammt froh darüber, denn in Saint-Jean kann man wunderbar die Seele baumeln lassen. Was du noch alles über Anreise, Vorbereitung und Co. wissen musst, erfährst du übrigens auch in diesem Artikel.

Schon seit dem 12. Jahrhundert ist die kleine Stadt am Fuße der Pyrenäen (damals noch Saint-Jean-Le-Vieux) einer der am stärksten frequentierten Punkte des französischen Jakobswegs. Es handelt sich um den letzten Ort vor den Pyrenäen – danach müssen die Jakobspilger, die sich auf den Weg zum Grab des Heiligen Jakobus machen, das Gebirge mit Höhen von bis zu 1400 Metern überqueren. Die Berge hier sehen zwar bei weitem nicht so beeindruckend aus wie die Tiroler Alpen, durch die wir erst kürzlich gefahren sind, aber trotzdem halte ich mein Vorhaben gerade etwas für eine Schnapsidee.

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Anreise nach Saint-Jean-Pied-de-Port

Saint-Jean-Pied-de-Port erreicht man nur mit dem Taxi (vom Flughafen Biarritz ca. 120 € pro Fahrt) oder mit dem Zug ab Bayonne (ab 7,60 € bei Vorabbuchung im Internet). Um nach Bayonne zu kommen, fliegst du am besten nach Biarritz und fährst die paar Kilometer in den Nachbarort Bayonne. Warum ich das denn dann nicht gemacht habe? Weil ich keinen großartigen Zeitdruck hatte, mit meinem Studententicket kostenlos nach Weeze zum Flughafen und von dort für nur 35 € nach Santander in Nordspanien fliegen konnte.

Mit allen Bussen und dem Zug bin ich so insgesamt auf nur ca. 65 € für die Anreise gekommen – die Flugpreise nach Biarritz waren um ein Vielfaches teurer und/oder mit Flügen über London und langen Umsteigezeiten verbunden.

Angekommen in Saint-Jean-Pied-de-Port, war ich mit den Nerven schon ziemlich am Ende: Im Bus konnte ich maximal 1-2 Stunden die Augen zumachen und der Zug, der ab Bayonne nur viermal täglich fährt, war so voll mit Pilgern, dass ich mir gerade so einen der letzten Plätze sichern konnte und eingequetscht zwischen stehenden Passagieren und meinem Gepäck auf dem Schoß saß.

Um den Menschenmassen nach der einstündigen Fahrt zu entkommen, hastete ich an der Endhaltestelle schnell aus dem Zug Richtung Stadt (am Bahnhof linksherum, direkt in die große Straße rechts abbiegen und immer geradeaus), erreichte zuerst das Pilgerbüro uuund… setzte mich vor die wegen Mittagspause geschlossene Tür und beobachtete die schier endlose Schlange, die sich hinter mir bildete.

Saint-Jean-Pied-de-Port: Letzte Vorbereitungen für den Jakobsweg

Im Pilgerbüro in der Rue de la Citadelle (vom Bahnhof aus kommend durch das Stadttor und links den Hügel hinauf) bekommt man gegen eine Gebühr von 2 € seinen Pilgerpass und auch direkt den ersten Stempel. Dass die Dame partout kein Französisch mit mir reden wollte, meinen Namen falsch geschrieben und sich auch beim Datum vertan hat (wurde aber fleißig durchgestrichen…), wertete ich in meiner Erschöpfung als schlechtes Omen für den Weg. Ich hoffe mal, es wird sich nicht bewahrheiten, haha. Die Öffnungszeiten sind übrigens: 07:30-12:00 Uhr, 13:30-20:00 Uhr und 21:30-22:30 Uhr.

Das beschauliche Örtchen hat sich dem hohen Aufkommen von Pilgern und Tagestouristen (OMG, es gibt sogar einen Touristen-Zug in dem 1000-Einwohner-Städtchen) angepasst: An jeder Ecke kann man Souvenirs, Snacks und komplette Wanderausrüstungen kaufen. Prinzipiell bedarf es also keinerlei Vorbereitung: In der Theorie könnte man sogar nackt ankommen und sich bis unter die Zähne mit allem ausrüsten, was man braucht (oder auch nicht), um den Jakobsweg direkt zu starten.

Proviant für die kommenden Etappen bekommst du am besten im Carrefour (liegt etwas außerhalb) oder in einem kleineren Supermarkt, der sich direkt auf dem Jakobsweg, unterhalb des Flusses Nive, befindet. Dieser hat allerdings nur von 09:00-12:30 Uhr und von 15:30-19:15 Uhr geöffnet und ist sonntags und dienstags- und donnerstagnachmittags geschlossen.

Mit welcher Ausrüstung ich unterwegs bin, verrate ich dir übrigens demnächst in einem gesonderten Artikel.

Unterkunft in Saint-Jean-Pied-de-Port buchen

Meine Unterkunft in Saint-Jean-Pied-de-Port, die wunderschöne und ganz neue Gîte Makila, hatte ich mir bereits über zwei Monate im Voraus für 27 € die Nacht (zumindest am Anfang wollte ich mir nochmal was „Edles“ gönnen, hehe) über Booking.com reserviert* – schon da war es das letzte Bett, was in dieser Unterkunft zur Verfügung stand.

Wer im Vorfeld nichts buchen möchte (in fast allen Pilgerherbergen darf man dann aber nur eine Nacht bleiben), sollte nicht zu spät ankommen: Es gibt in der Stadt zwar viele Herbergen, die allerdings auch schnell komplett belegt sind. Zum Beispiel wenn, wie am ersten Wochenende im September, fast 500 Pilger pro Tag den Ort stürmen und die Sporthalle als Notunterkunft herhalten muss.

In den meisten Unterkünften (auch in der Gîte Makila) ist ein kleines Frühstück schon im Zimmerpreis enthalten. Mittag- und Abendessen bekommst du in der ganzen Stadt an jeder Ecke – wenn auch nicht gerade billig. Als Vegetarier ist es gar nicht so einfach, etwas Gutes zu finden: Die Auswahl beschränkt sich größtenteils auf belegte Baguettes oder Salat.

Die besten Sandwiches habe ich übrigens im Le Kawa, schräg gegenüber des Pilgerbüros, gefunden – sehr empfehlenswert und für 8 € („Formule“) bekommt man ein Sandwich, ein Getränk und ein Dessert.

Ich hatte im Vorfeld (und so geht es allen, die hier ankommen) gelesen, dass im Juli und August die meisten Pilger unterwegs sind, da die Franzosen und Spanier dann Sommerferien haben – laut den Ortsansässigen stimmt das aber nicht: Die meisten kommen im Mai und September, um der Sommerhitze zu entgehen. Dementsprechend gespannt bin ich, ob ich wohl überall noch ein Bett finden werde.

Morgen früh geht es los – ich werde vorsichtshalber schon sehr früh aufbrechen, denn ich möchte eigentlich nicht im Voraus reservieren. Zumal die wenigen Betten entlang der ersten Etappe über die Pyrenäen eh schon alle ausgebucht sind und mir nichts anderes übrig bleibt, als die komplette Königsetappe (24 Kilometer und bis zu 1400 Höhenmeter) an einem Tag zu schaffen.

Welcher Reiseführer für den Jakobsweg?

Über diese Frage habe ich lange nachgedacht und zu Hause schon mehrere Exemplare gewälzt. Die beiden Standardwerke (der „Rote“ vom Rother-Verlag und der „Gelbe“ vom Outdoor-Verlag) hatte ich in die engere Auswahl genommen und mich mehr oder weniger Schnick-Schnack-Schnuck-mäßig für die gelbe Version entschieden. Beim Lesen habe ich beide Werke für sehr ausführlich und vor allem handlich befunden – was gut ist, denn natürlich spielen Gewicht und Volumen des Rucksacks eine nicht ganz unwichtige Rolle, wenn man sich auf den Jakobsweg vorbereitet.

Obwohl ich mir in meinem Outdoor-Reiseführer schon fleißig Notizen gemacht hatte, ist er letztendlich aber doch zu Hause geblieben. Der Michael-Müller-Verlag hat mir nämlich ein kostenfreies Exemplar seines Wanderführers „Spanischer Jakobsweg“* zum Testen zugeschickt. Als dieser ankam, war ich erst ganz happy, dass ich ja trotzdem nicht dazu verpflichtet bin, diesen zu nutzen. Er ist nämlich ein ganzes Stück größer und mit dem Veröffentlichungsdatum 2012 nicht mehr der Jüngste.

Trotzdem habe ich mich mal vorurteilsfrei eingelesen und jetzt begleitet er mich auf dem Weg. Warum? Weil der Autor auf mich irgendwie sympathischer wirkte (weniger belehrender Profi-Pilger, mehr entspannter Hobby-Wanderer), es viel gutes Kartenmaterial gibt und der Wanderführer bereits in 34 Etappen (+4 Etappen nach Finisterre) unterteilt ist, die mir sehr sinnvoll vorkommen. Der Plan ist also, mich an diese Etappen zu halten – ob es funktionieren wird und ob die Infos noch halbwegs aktuell sind, werden wir sehen.

Update: Leider hat sich herausgestellt, dass der Wanderführer an vielen Stellen wirklich nicht mehr aktuell ist. Manche Herbergen gibt es gar nicht mehr und generell ist die Infrastruktur am Weg meist sogar noch deutlich besser, als es in dem Buch beschrieben wird, denn überall dort, wo es sonst nichts gibt, stehen (zumindest von April bis Oktober) Food-Trucks und Ähnliches. Wer also unbedingt ein Buch mitnehmen will, sollte ein anderes nehmen. Allerdings braucht man nicht wirklich eins, denn eine Übersicht mit allen Herbergen und Höhenprofilen bekommt man kostenlos im Pilgerbüro in Saint-Jean und mehr braucht man nicht! Auf weniger frequentierten Jakobswegen mag das anders sein, auf dem Camino Francés kann allerdings kaum etwas schiefgehen.

Warum du erst einen Tag in Saint-Jean-Pied-de-Port bleiben solltest

Nachdem ich nach meiner langen Anreise erstmal zwölf Stunden durchgeschlafen hatte, war ich am nächsten Morgen um 07:00 Uhr bereits voller Tatendrang. Draußen in den Straßen bildeten sich schon Pilgergruppen, fast alle hatten ihr Frühstück bereits hinter sich und das Haus verlassen. „Ah, Mist, ich will jetzt auch direkt los“, dachte ich mir und bereute es, noch eine zweite Nacht in Saint-Jean gebucht (und bereits bezahlt) zu haben. Wie in nahezu allen Unterkünften musste auch ich um 08:30 Uhr aus dem Haus und durfte erst um 14:30 Uhr wiederkommen – mein Gepäck ließ ich also auf dem Zimmer und packte alles Wichtige in meinen kleinen Turnbeutel.

Nur zehn Minuten später war ich aber richtig happy, noch einen ganzen Tag frei zu haben. Ich war neben meiner Unterkunft den Jakobsweg in die „falsche“ Richtung gegangen und den Hügel zur Zitadelle hochgestiegen. Von dort wirkte der dicke Nebel, der über der ganzen Stadt hing, noch viel krasser und ich stand eine halbe Stunde an der Brüstung vor dem Abhang und schaute dabei zu, wie Saint-Jean-Pied-de-Port ganz langsam erwachte und zwischen den Nebelschwaden zum Vorschein kam. Tolle Aussicht, für die sich der (recht kurze) Aufstieg mehr als gelohnt hatte!

Was du in Saint-Jean-Pied-de-Port sonst noch machen kannst

Da ich für den Nachmittag und Abend noch genug Arbeit vor mir hatte und ich ja sowieso nicht früher zurück in meine Unterkunft konnte, beschloss ich, meine kleine Sightseeing-Tour komplett vorher zu „erledigen“.

Nach meinem Aufstieg zur Zitadelle schlenderte ich durch die Stadt, ließ mir in dem kleinen Stadtpark – ausgestreckt auf einer Bank – die Sonne auf den Bauch scheinen, kaufte und schrieb eine Postkarte für meine Großeltern und machte mich auf den Weg zu der kleinen Markthalle.

Die Markthalle hat leider nur donnerstags geöffnet, aber ein entferntes Schild (das Augenlasern hat sich echt gelohnt…) verriet mir, dass sich direkt dahinter die Käserei „Fromagerie des Aldudes“ befindet, in der man viele verschiedene Käsesorten einkaufen kann.

Die freundliche Verkäuferin schnitt mir zwei perfekte Ich-bin-allein-und-kann-nicht-so-viel-essen-Stücke zurecht und für knapp 5 € war ich um französischen Käse reicher. Sagte ich bereits, dass ich französischen Käse liebe? Ja, mehrfach, haha.

Anschließend zündete ich in der Kirche noch eine Kerze an. Da ich nicht mehr so wirklich an Gott (und schon gar nicht an die Kirche) glaube, hat das Anzünden einer Kerze für mich in erster Linie etwas Symbolisches und zwischendurch überkommt es mich. Also schmiss ich einen Euro in die Box, nahm eine der großen, weißen Kerzen, zündete sie an und steckte sie neben die anderen.

Eine Kerze wofür? Zuerst überlegte ich, dass ich mir wünschen könnte, dass jemand während meines Caminos auf mich aufpasst – falls es da oben doch jemanden geben sollte, der dafür zuständig ist. Aber dann dachte ich mir, dass es auf dieser Welt so viele Menschen gibt, die eine helfende Hand viel dringender gebrauchen könnten. Also ist die Kerze all denen gewidmet, deren größte Sorge es gerade nicht nur ist, einen Berg unbeschadet zu überqueren.

Ich bin dann mal weg. Bereit für den Camino. Glaube ich zumindest. Ehrlich gesagt habe ich doch irgendwie Schiss vor der ersten Etappe, die sicher nicht aus Spaß als „Königsetappe“ bezeichnet wird und (ohne Pausen) etwa 7 Stunden dauern soll. Drückt mir die Daumen, dass ich ankomme – und dann auch noch ein freies Bett bekomme.

Ach ja, by the way: Um die Pont de l‘Église herum kann man sich super enspannen. Entweder auf den Mauern neben dem Weg oder direkt unten auf dem schmalen Stück Gras, wo auch dieser komplette Artikel entstanden ist. Nimm dich aber in Acht vor den Brennnesseln und rutschigen Stellen… Und nicht erschrecken: Manchmal galoppieren Hunde an einem vorbei, deren Herrchen ein Stöckchen in den Fluss geworfen haben!

 

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